Pforzheim
76

Gedenkstein in Pforzheim

48.8926378, 8.6932927

Deportation

Neben dem Gedenkstein am Güterbahnhof informiert eine Tafel über die Deportation der Pforzheimer Jüdinnen und Juden am 22. Oktober 1940: „Auf Gleisen unweit dieser Stelle begann am 22. Oktober 1940 für 186 jüdische Pforzheimerinnen und Pforzheimer der Transport in das südfranzösische Lager Gurs, den ‚Wartesaal des Todes'; neun weitere wurden aus anderen Orten verschleppt. In Gurs und anderen französischen Lagern starben 45 der Deportierten an Unterernährung, wegen fehlender ärztlicher Hilfe und aus Verzweiflung. Ab 1942 wurden 95 von ihnen in den Vernichtungslagern des Ostens ermordet, allein 78 in Auschwitz. Durch die Hilfe christlicher und jüdischer Organisationen sowie der Résistance überlebten 55 der aus Pforzheim nach Gurs Deportierten in Frankreich oder fanden Asyl im Ausland.“

Jüdische Ortsgeschichte

Im Mittelalter fanden mehrfach Juden in Pforzheim Erwähnung, fast immer geschah dies im Zusammenhang mit einem Verfolgungsgeschehen. Erst im Verlauf des 17. Jahrhunderts verstetigte sich das jüdische Leben in der Stadt. 1784 umfasste die jüdische Gemeinde dreizehn jüdische Familien. Nach der rechtlichen Gleichstellung der badischen Juden im Jahr 1862 wuchs die Zahl der Gemeindemitglieder erheblich, so dass die 1813 erbaute alte Synagoge (am Waisenhausplatz) nicht mehr genügend Platz für alle Gemeindemitglieder bot. Bei der Einweihung der neuen, im neoislamischen Stil gehaltenen Synagoge (Zerrennerstraße 26/28) des damaligen Stararchitekten Ludwig Levy, nahmen auch Vertreter von Behörden und der Kirchen teil. Im 19. Jahrhundert handelten mehrere jüdischen Firmen mit Gold-, Silber-, Perlen- Schmuckwaren und Uhren, es gab auch jüdische Schmuck- und Uhrenfabriken und andere Fabriken. 1933 existierten etwa 15 jüdische Textilwarengeschäfte, sieben Schuhgeschäfte, sieben Metallwaren- und Eisenhandlungen und zwei Kaufhäuser in Pforzheim.

Während des Novemberpogroms 1938 zerstörten am Morgen des 10. November 1938 nationalsozialistische Gruppierungen sowie den Beetsaal der orthodoxen „Israelitischen Bethausgemeinschaft". Mehr als 20 jüdische Männer kamen in das KZ Dachau, wo man sie mehrere Wochen festhielt. Anfang 1939 lebten in Pforzheim noch etwa 200 Jüdinnen und Juden; mit Beginn des Zweiten Weltkrieges zwang die Stadtverwaltung die noch nicht Ausgewanderten in sogenannte „Judenhäuser” umzuziehen.

Die nicht von der Deportation vom 22. Oktober 1940 erfassten Jüdinnen und Juden wurden zwischen dem 2. Juni 1942 und dem 14. Februar 1945 nach Izbica bzw. nach Theresienstadt verschleppt. Nach dem Kriegsende kehrten 17 jüdische Pforzheimerinnen und Pforzheimer in ihre Heimatstadt zurück, vier davon sind 1940 nach Gurs deportiert worden. Die Zurückgekehrten gehörten zunächst der jüdischen Gemeinde in Karlsruhe an, bis sie in den 1980er Jahren die Israelitische Kultusgemeinde Pforzheim gründeten. Die Israelitische Gemeinde residiert seit 2006 in einem ehemaligen Gebäude der Landeszentralbank in der Emilienstraße.

Zeugnisse jüdischen Lebens
Gedenksteine

Im November 1967 wurde unweit am Standort der ehemaligen Synagoge ein Gedenkstein enthüllt. 1989 wurde das Gelände um den Gedenkstein neu angelegt (seitdem "Platz der Synagoge" genannt).

Friedhof

Der von 1846 bis 1877 genutzte jüdische Friedhof an der Eutinger Straße wurde 1940 eingebnet. Siet 1986 ist er ein öffentlich zugängliche Gedenkstätte. Es befindet sich ein einziiger Grabstein dort. Die 1877 angelegte jüdische Abteilung des Pforzheimer kommunalen Hauptfriedhofes in der Ispringer Straße 42 mit etwa 400 Gräbern blieb in der NS-Zeit unversehrt.

Stolpersteine

Stolpersteine in Pforzheim: www.stolpersteine-pforzheim.de

Quellen
Gerhard Brändle, Antisemitismus in Pforzheim 1920 - 1980. Gurs - Vorhölle von Auschwitz, Pforzheim 1980
Gerhard Brändle, Jüdisches Pforzheim. Einladung zur Spurensuche, Haigerloch 2001
Gerhard Brändle, Dokumentation der zwischen 1919 und 1945 geborenen bzw. ansässigen jüdischen Bürgerinnen und Bürger und deren Schicksal, online abrufbar unter: pforzheim.de/kultur-bildung/geschichte/juedische-buerger