Konstanz
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Gedenkstein in Konstanz

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Deportation

Die israelitische Gemeinde Konstanz war eine der wenigen Badens, in der die Zahl ihrer Mitglieder nach 1933 stieg, was auf die Nähe der Stadt zur Schweiz zurückzuführen ist. Am 22. Oktober 1940 mussten 110 Konstanzer Jüdinnen und Juden den im Bahnhof Konstanz-Petershausen wartenden Deportationszug besteigen. Zwei Personen hatten sich durch Selbsttötung der Abholung entzogen. Charlotte Bloch war mit ihren 92 Jahren die älteste Deportierte aus Konstanz, die dreijährige Ruth Alexander die jüngste. Im Zusammenspiel mehrerer Hilfsorganisationen konnte sie aus dem Lager geholt und in die Schweiz „geschmuggelt“ werden. 1947 emigrierte sie von dort zu Verwandten in die USA. Ihr Großvater überlebte in Südfrankreich, während ihre Eltern Nelly und Simon Alexander am 16. September 1942 nach Auschwitz verschleppt worden waren. Auch der sechzehnjährige Leo Goldlust wurde zusammen mit seiner Schwester Paula und der Mutter Manya nach Gurs verschleppt. Die Familie musste im März 1941 in das Lager Rivesaltes umziehen. Dort gelang es Hilfsorganisationen ihn aus dem Lager zu holen und in Sicherheit zu bringen. Im Sommer 1944 wurde er in die französische Armee eingegliedert. Am 26. April1945 marschierte Leo Goldlust an der Spitze der französischen Truppen in Konstanz ein. Auch seine Schwester Paula überlebte. Ihre Mutter war am 14. August 1942 von Drancy aus nach Auschwitz deportiert worden.

Jüdische Ortsgeschichte

Die im Mittelalter und in der frühen Neuzeit nachweisbaren jüdischen Gemeinden in Konstanz waren kurzlebig und endeten jeweils in Vertreibung und Mord. Erst nach der rechtlichen Gleichstellung der badischen Juden im Jahre 1862 konnten jüdische Familien wieder Fuß in Konstanz fassen. Die sich nun bildende neue jüdische Gemeinde umfasste im Jahr 1900 565 Mitglieder (2,5 % der Gesamtbevölkerung). Jüdische Unternehmer und Geschäftsleute trugen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zur baulichen und wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt bei.

Von den 1933 Konstanz wohnenden 443 jüdische Personen kamen mindestens 102 in Folge der NS-Verfolgung ums Leben. Nach 1945 beherbergte das ehemalige jüdische Gemeindehaus in der Sigismundstraße 21 jüdische „Displaced Persons“. Die sich daraus entwickelnde jüdische Gemeinschaft war eng mit der benachbarten jüdischen Gemeinde im Schweizer Kreuzlingen verbunden, später mit der jüdischen Gemeinde in Freiburg i. Br. Erst 1988 kam es in Konstanz zu einer Neugründung einer selbstständigen jüdischen Gemeinde.

Zeugnisse jüdischen Lebens
Gedenksteine

Eine Stele bei der Dreifaltigkeitskirche (Sigismundstraße) erinnert an die Opfer der Deportation vom 22. Oktober 1940.

Friedhof

Der 1869 eingeweihte jüdische Friedhof an der Wollmatinger Straße ist Teil des städtischen Friedhofes von Konstanz.

Stolpersteine

Stolpersteine in Konstanz: https://www.stolpersteine-konstanz.de.

Quellen
Rehn, Marie Elisabeth: Hugo Schriesheimer. Ein jüdisches Leben von Konstanz durch das KZ Dachau, das französische Internierungslager Gurs, das Schweizer Asyl und die USA nach Kreuzlingen, 1908-1989, Konstanz 2011
Rügert, Walter (Hg.): Jüdisches Leben in Konstanz. Eine Dokumentation vom Mittelalter bis zur Neuzeit, 1999
Bloch, Erich: Geschichte der Juden von Konstanz im 19. und 20. Jahrhundert, Konstanz 1996²