Kippenheim
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Gedenkstein in Kippenheim

48.293584, 7.825298

Deportation

Am 22. Oktober kamen Grenzpolizisten mit Lastwagen ins Dorf, um die noch dort lebenden 24 Kippenheimer Jüdinnen und Juden zu verhaften. Ihre Abholung dokumentieren 5 Fotos. Auch das Kippenheimer Bürgermeisteramt hielt den Untergang der jüdischen Gemeinde in einer Aktennotiz fest: „Sämtliche Juden Kippenheims sind am 22. Oktober 1940 auf Anordnung der Geheimen Staatspolizei aus Kippenheim ausgebürgert worden. Aufenthaltsort usw. ist hier unbekannt.“

Drei Kippenheimer Deportierte sind in Gurs oder einem seiner Nebenlager verstorben. Zwölf besaßen Auswanderungspapiere, was ihnen ermöglichte 1941/42 über Marseille und Casablanca in die USA zu emigrieren. Zu ihnen gehörte die Familie Maier aus der Querstraße mit den Kindern Heinz (geb. 1927) und Kurt (geb. 1930, Autor der „Kindheitserinnerungen eines Kippenheimers“)  sowie die 1843 geborene und hochbetagte Mathilde Wertheimer, die im Alter von 103 Jahren in ihrem Exil New York verstorben ist. Seit August 1942 rollten die Züge aus Frankreich über das Sammellager Drancy bei Paris nach Auschwitz. Den insgesamt 80 Transporten in den Tod mussten sich mindestens zehn Kippenheimer Jüdinnen und Juden anschließen.

Jüdische Ortsgeschichte

Die jüdische Geschichte Kippenheims reicht bis in das 17. Jahrhunderts zurück. 1900 umfasste die israelitische Gemeinde Kippenheims 272 Seelen, was 12,7 % der Einwohnerschaft ausmachte. In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts war sie die mitgliederstärkste jüdische Landgemeinde Badens. 1933 hatten jüdische Gewerbetreibende einen beträchtlichen Anteil am Wirtschaftsleben des Marktortes. Es gab ca. zehn jüdische Viehhändler, zwei Metzger, zwei Lederhändler, drei Stoffhändler, einen Schuhhändler, zwei Textilwarengeschäfte, zwei Manufakturwarengeschäfte, eine Gemischtwarenhandlung; dazu eine Tabakwarengroßhandlung und eine Getreide-, Mehl- und Futtermittelgroßhandlung, sowie eine für die ganze Region bedeutende Eisen- und Baumaterialienhandlung. Im Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge von Angehörigen der Lahrer HJ-Gebietsführerschule demoliert. Ein aufgebrachter Mob attackierte die jüdischen Wohnhäuser und warf die Schaufenster der jüdischen Läden ein. Die jüdischen Männer wurden gezwungen zum vier Kilometer entfernten Bahnhof von Lahr (Lahr-Dinglingen) zu marschieren, wo ein Zug bereitstand, um sie in das KZ-Dachau zu bringen. Erst nach Wochen wurden sie wieder entlassen.

Von den 144 im Jahr 1933 in Kippenheim lebenden Jüdinnen und Juden überlebten 113 die Zeit der NS-Herrschaft.

Zeugnisse jüdischen Lebens
Synagoge

Heute dient das 1852 erbaute Synagogengebäude als Gedenkstätte (Poststraße 19). Führungen durch die ehemalige Synagoge bietet der Förderverein Ehemalige Synagoge Kippenheim e. V.: www.ehemalige-synagoge-kippenheim.de.

Stolpersteine
Andere Zeugnisse

Von der Friedhofsgasse zweigt das „Judengäßle“ (Schild) ab. Hier standen die ersten beiden Synagogen (um 1750 bzw. 1800) Kippenheims.

Quellen
Maier, Kurt Salomon: Unerwünscht: Kindheits- und Jugenderinnerungen eines jüdischen Kippenheimers, Ubstadt-Weiher u.a. 2011
Stude, Jürgen: Geschichte der jüdischen Gemeinde Kippenheim, in: Historischer Verein: Schicksal und Geschichte der jüdischen Gemeinden Ettenheim, Altdorf, Kippenheim, Schmieheim, Rust, Orschweier, Ettenheim 1997, S. 322-361
Schellinger, Uwe (Hg.): Gedächtnis aus Stein. Die Synagoge in Kippenheim 1852-2002, Ubstadt-Weiher u. a. 2002
Hellberg, Florian: QR-Codes gegen das Vergessen: Rheinauer Erinnerungsorte zum Sprechen bringen: ein Werkstattbericht der Begabten-Arbeitsgemeinschaft Geschichte des Anne-Frank-Gymnasiums, in: Die Ortenau 96 (2016), S. 471-476
Florian Hellberg und Silja Minet-Lasch: Lern- und Gedenkort Ehemalige Synagoge Kippenheim : historisches Denken in einer Kultur der Digitalität, in: Die Ortenau 102 (2022), S. 405-410