Bruchsal
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Gedenkstein in Bruchsal

49.1249712, 8.5844108

Deportation

Am 22. Oktober 1940 wurden aus Bruchsal 79 jüdische Einwohner in das Lager Gurs deportiert. Ihre Abholung wurde vermutlich im Auftrag der NSDAP-Kreisleitung gefilmt. Die Organisatoren der Deportation vom 22./23. Oktober 1940 legten großen Wert darauf, dass im Unterschied zum Novemberpogrom 1938 solche Gewaltexzesse nicht bekannt bzw. vermieden. Nach Zeitzeugenberichte wurden die Verhafteten misshandelt: „Beim Abtransport der Juden hatte ich gerade Dienst auf dem Bahnhof. Ich sah, wie ein SA-Mann in Uniform einem jüdischen Mann einen Fuß tritt versetzte. Ich sah auch einige Frauen, die vor den Juden ausspuckten. Ich sah aber auch Frauen, die vor Entsetzen über diese Schandtaten weinten.“ „Man hat sie die Treppen hinuntergestoßen, angerempelt und angespuckt. Es war schrecklich zuzuschauen. Es waren Bruchsaler SA-Leute in Uniform.“ Die meisten Bruchsaler Deportierten waren älter als 60 Jahre, es waren aber fünf Kinder und Heranwachsende unter ihnen. Bis auf Martha Barth (geb. 1927), die mit ihren Eltern Georgette und Heinrich am 10. September 1942 nach Auschwitz verschleppt wurden überlebten Edith Löb (geb. 1926), Leopold Rosenberg (geb. 1932), Leopold Richard Wolf (geb. 1926) und Liselotte (geb. 1928).

Jüdische Ortsgeschichte

Ende des 13. Jahrhunderts verdichten sich Hinweise auf jüdisches Leben in Bruchsal. Die Mitglieder der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde wohnten in der „Judengasse“ (Zwerchstraße / Rathausgasse). Ein Memorbuch der jüdischen Gemeinde Speyer zählt die Bruchsaler Jüdinnen und Juden von Bruchsal zu den Opfern der antijüdischen Pestpogrome im Jahr 1349. In den 1380er Jahren werden Juden in Bruchsal wieder aktenkundig, doch bereits Ende des 14. Jahrhunderts wurde Bruchsal als Niederlassungsort für Juden aufgegeben. Erst im Jahr 1625 lassen sich wieder jüdische Familien zweifelsfrei in Bruchsal nachweisen. 1827 wurde die Stadt Sitz eines Bezirksrabbiners. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts waren die jüdischen Händler in Bruchsal von großer wirtschaftlicher Bedeutung für die Stadt und den Kraichgau. Fast der gesamte Tabak- und Hopfengroßhandel wurde von ihnen betrieben.

Sofort nach der nationalsozialistischen Machtergreifung im April 1933 richtete sich die nationalsozialistische Wut gegen die jüdischen Gewerbe- und Industriebetriebe in der Stadt. Zahlreiche Diskriminierungen schränkten das jüdische Leben in der Stadt ein. So durften jüdische Einwohner das städtische Schwimmbad ab Mai 1934 nicht mehr betreten. Die jüdischen Schülerinnen und Schüler mussten ab 1936 in eine eigens für sie eingerichtet jüdische Schulabteilung in Bruchsal  wechseln. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge niedergebrannt und die Schaufenster jüdischer Geschäfte zerstört.

Das Gedenkbuch des Bundesarchivs verzeichnet 114 in Bruchsal geborene jüdische Bürger, die dem Völkermord des nationalsozialistischen Regimes zum Opfer fielen.

Zeugnisse jüdischen Lebens
Friedhof

Der 1879 angelegte jüdische Friedhof ist Teil des städtischen Friedhofes. Die jüdische Friedhofshalle ist erhalten.

Andere Zeugnisse

Das städtisches Museum Bruchsal informiert über die jüdische Geschichte der Stadt.

Quellen
Brändle, Brigitte u. Brändle, Gerhard: Jüdische Kinder im Lager Gurs: Gerettete und ihre Reter*innen. Fluchilfe tut not - eine notwendige Erinnerung. Karlsruhe 202020
Stude, Jürgen: Geschichte der Juden in Bruchsal, Ubstadt-Weiher u.a., 2007
Stude, Jürgen: „Die letzten Juden verlassen Bruchsal“. Filmdokumente zur Judenverfolgung in Baden und Württemberg, in: Momente. Beiträge zur Landeskunde von B-W 2/05, S. 2-7
Stadt Bruchsal: Gedenkschrift zur ersten Stolpersteinverlegung in Bruchsal am 19.4.2015, Bruchsal 2015, S. 7