Baden-Baden
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Gedenkstein in Baden-Baden

48.767983, 8.231268

Baden-Baden
Jüdische Ortsgeschichte

Seit ihrer Vertreibung im Mittelalter aus Baden-Baden war es Juden erst nach in Krafttreten des Emanzipationsgesetz im Großherzogtum Baden 1862 wieder erlaubt, in dem Kurort zu wohnen. Ihre höchste Mitgliederzahl erreichte die 1890 gegründete jüdische Gemeinde 1925 mit 435 Personen (1,7 % der Einwohnerschaft). Die jüdische Bevölkerung wurde rasch in die städtische Gesellschaft aufgenommen, doch machte sich auch in Baden-Baden der Antisemitismus bemerkbar. Nur wenige Tage nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten kam es zu ersten Boykottmaßnahmen gegen jüdische Betriebe, vom reichsweiten Boykott am 1. April 1933 waren dann alle jüdischen Geschäfte Baden-Badens betroffen. Aus Rücksicht auf ausländische Kurgäste hielten sich die Nationalsozialisten in den folgenden Jahren hier zurück, doch während des Novemberpogroms am Morgen des 10. Novembers 1938 wurden auch die jüdischen Wohnungen durchsucht und die jüdischen Männer verhaftet. SA und SS führten sie durch die Innenstadt zur Synagoge, begleitet von einer großen Zahl von Schaulustigen. Danach wurde ihr Gotteshaus mit Brandbeschleunigern angezündet; das Gebäude brannte bis auf seine Grundmauern nieder.

Ein Bericht der Gurs-Überlebenden Emilie Fleischer belegt, dass die 116 Verschleppten aus Baden-Baden erst am 23. Oktober 1940 einen Deportationszug bestiegen haben: „Am 22. Oktober 1940 war ich bereits an einem Auge blind. In der Stunde vor dem Abtransport in das Konzentrationslager, die ich in der Stadthalle Baden-Baden verbrachte, merkte ich plötzlich, dass ich an dem zweiten Auge auch nichts mehr sehen konnte. Schließlich benachrichtigte man in der Frühe des 23. Oktobers meine Tochter. Sie erhielt den Auftrag, den Augenarzt, Dr. Schüssele, Baden-Baden zu bitten, in die Stadthalle zu kommen, um die Lage zu sichten. Nachdem sich Dr. Schüssele weigerte, herauszukommen, erlaubte man mir, in Begleitung meines Mannes und eines Polizisten, zu Herrn Dr. Schüssele zu fahren zur Untersuchung. Dr. Schüssele stellte die Diagnose: Blind! Er verschrieb mir Tropfen. Alle Bemühungen meiner Tochter und meines Schwiegersohnes, mich wegen meiner schweren Krankheit in Baden-Baden behalten zu dürfen, waren erfolglos. Am 23. Oktobermittag 3 Uhr wurde ich deportiert.“ Nach Baden-Baden kehrten die sich der evangelischen Kirche zugehörigen Gertrud Besag und ihre Zwillingstöchter Hilde und Lotte (geb. 1921) zurück. Einem Netz von Hilfsorganstationen und Kirchen ist es zu verdanken, dass sie in die Schweiz fliehen konnten. Ida Besag, eine weitere Tochter von Getrud Besag war am 16. September 1942 vom Sammellager Drancy nach Auschwitz verschleppt worden. Der evangelisch getaufte Manfred Kirschner (geb. 1928) überlebte mit Hilfe von Hilfsorganisationen versteckt in Kinderheimen: Seine Schwestern Ingeborg und Margot und seine Eltern Renate und Albert Kirschner wurden von den Nationalsozialisten am 17. August 1942 vom Sammellager Drancy aus nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet.

Nach der Deportation lebten noch 71 Jüdinnen und Juden in Baden-Baden. Die meisten von ihnen wurden – wenn sie nicht vorher Selbstmord begangen hatten oder verstorben waren – 1942 nach Theresienstadt verschleppt.

Bereits 1946 etablierte sich in Baden-Baden wieder eine neue jüdische Gemeinde, die bis Mitte der 1980er Jahre Bestand hatte. Seit Mitte der 1990er feiert eine neue Gemeinde ihre Gottesdienste in ihrem Betsaal in der Werderstraße.

Zeugnisse jüdischen Lebens
Friedhof

Der jüdische Friedhof im Stadtteil Lichtental wird heute noch belegt.

Stolpersteine

„Stolpersteine“ in Baden-Baden: www.stolpersteine-baden-baden.de.

Andere Zeugnisse

Am Willy-Brandt-Platz erinnert eine Stele an die Opfer der Judenverfolgung im Dritten Reich.

Quellen
Kreutzmüller, Christoph / Werner, Julia: Fixiert. Fotografische Quellen zur Verfolgung und Ermordung der Juden in Europa. Eine pädagogische Handreichung. Berlin 2012, S. 16-26. 
Patzer, Georg: Ein Weltbad und seine Juden, in: Allmende 13 (1993), S. 228-229
Schindler, Angelika: Der verbrannte Traum. Jüdische Bürger und Gäste in Baden-Baden; von den Anfängen bis 1945, 2., überarb. und erw. Aufl., Baden-Baden 2014