Tiengen (Waldshut)
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Gedenkstein in Tiengen

47.6327253, 8.2719155

Deportation

1940 lebten in Tiengen nur noch die vier jüdische Witwen Amalie Bernheim, Ida Guggenheim, Sophie Schwartz und die sehbehinderte Selina (Sabine) Bernheim sowie deren im Januar 1940 aus Frankfurt a. M. zu ihr gezogenen Tilly Wurmser. Nachdem alle fünf Frauen am 22. Oktober 1940 von der Gestapo abgeholt worden waren, vermerkte die Stadtverwaltung Tiengen in den über diese geführten Stammblättern: „.... 22.10.1940: f [Fortzug] n [nach] unbekannt auf Anordnung der Geh. Staatspolizei“. Selina (Sabine) Bernheim erlag drei Monate nach ihrer Ankunft in Gurs den Strapazen des Lagerlebens. Ida Guggenheim und Tilly Wurmser wurden vermutlich nach Auschwitz verbracht und dort ermordet. Der in Südafrika lebenden Sohn von Sophie Schwartz kaufte sie aus dem Lager frei und holte sie zu sich in seine neue Heimat, Amalie Bernheimer, die das Lager überlebte, verstarb am 27. Oktober 1945 in Montélimar.

Jüdische Ortsgeschichte

1650 zogen acht jüdische Familien in die Stadt – erst ab diesem Zeitpunkt kann von einer jüdischen Gemeinde in Tiengen gesprochen werden, wenn auch vorher vorübergehend Juden dort gelebt hatten. Ihre höchste Mitgliederzahl erreichte die jüdische Gemeinde um 1885 mit 233 Personen. Nach der NS-Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 wurde auch in Tiengen der reichsweite Boykott jüdischer Geschäfte befolgt. Während des Novemberpogroms, am 10. November 1938 verwüstete Tiengener SA-Männer die Synagoge. Die von ihnen aus dem Betsaal entwendeten Kultgegenstände, Mobiliar und Bücher verbrannten sie auf einem öffentlichen Platz. Auch der jüdische Friedhof Tiengens war Ziel ihres Hasses. Alle jüdischen Bewohner Tiengens – Männer wie Frauen - wurden ebenfalls am 10. November 1938 in das Waldshuter Gefängnis verbracht; zwar kamen die Frauen am folgenden Tage wieder frei, doch die Männer wurden in das KZ Dachau transportiert und für Wochen dort festgehalten; Julius Guggenheimer und Heimann Rabbinowicz kamen in Dachau ums Leben.

Zeugnisse jüdischen Lebens
Gedenksteine

Das „Jüdische Zimmer“ im Klettgau- und Heimatmuseum im Schloss Tiengen dokumentiert die Geschichte der Juden in Tiengen.
 

Friedhof

Nach 1945 wurde der Friedhof in der Feldbergstraße als Gedenkstätte hergerichtet.

Stolpersteine

"Stolpersteine“ in Tiengen: www.juden–in-tiengen.de.

Quellen
Freundeskreis Jüdisches Leben in Waldshut-Tiengen: Gegen das Vergessen. Stolpersteine in Tiengen und Waldshut für die Opfer des Nationalsozialismus 1933 – 1945, vierte Auflage, 2020
Freundeskreis ehem. Synagoge Sulzburg (Hg.): Jüdisches Leben in Sulzburg 1900 – 1940. Eine Materialsammlung, Sulzburg 2005
Petri, Dieter: Die Tiengener Juden, Zell am Harmersbach 1984.