Tauberbischofsheim
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Auf der Vorderseite der Tauberbischofsheimer Gedenksteinen verteilen sich jeweils 22 Keile, die an die 22 am 22. Oktober 1940 deportierten Jüdinnen und Juden aus Tauberbischofsheim erinnern. Ihre unregelmäßige Anordnung bildet die verheerende Heimsuchung ab, die die jüdische Gemeinde aber auch die städtische Gemeinschaft insgesamt in der NS-Zeit erschütterte. „Die keilförmigen Segmente sind“, so meinten die Jugendlichen, „irgendwie auch Splitter im Fleisch unserer Gesellschaft. Wenn wir sie an uns lassen, tut Erinnerung weh.“ Mit ihrem Stein wollten sie keine Schuld zuweisen, sondern Hoffnung machen auf ein bewussteres und achtsameres Miteinander.
„Anfang Oktober 1940 erschienen SA-Leute und fragten uns scherzhaft, ob wir bereit wären, Deutschland zu verlassen.“ Am 22. Oktober 1940 war es soweit: „Um 6 Uhr morgens wurden die jüdischen Anwohner aufgesucht und man befahl ihnen, sich um 9 Uhr am Sonnenplatz einzufinden. Wohin die ‚Reise‘ gehen würde, wurde ihnen nicht gesagt. Viele wussten aus Angst, aus Verzweiflung und vor lauter Aufregung gar nicht, was sie einpacken und wie sie mit dieser Situation umgehen sollten. Gut überdacht war das Eingepackte selten und viele waren daher für das Bevorstehende schlecht ausgerüstet. Es gab auch einige unter ihnen, die nicht einmal einen Koffer besaßen, ihre Habseligkeiten verstauten sie in Pappschachteln, in denen man das Waschpulver damals kaufte. Der Deckel wurde an der Schachtel mit einer Schnur festgebunden, in die ein Holzgriff gehängt werden konnte.“ Bericht von Hannelore Simons (später Chana Sass), über über die Abholung ihrer Familie. Sie war am 22. Oktober 1940 14 Jahren alt.