Stein am Kocher (Neustadt am Kocher)
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Deportation

Ende der 1930er Jahre waren von der früheren jüdischen Gemeinde Stein nur noch die Witwen Flora Zwang und Hedwig Zwang übriggeblieben. Um sich zu ernähren, arbeiteten sie für Landwirte als Taglöhnerinnen, wurden aber auch von Nachbarn mit Lebensmitteln versorgt. Am 22. Oktober 1940 holte man sie direkt von einem Kartoffelacker. Sie wurden auf einen Lastwagen verladen und nach Mosbach zu einer Sammelstelle verbracht. Von dort aus wurden sie mit der Bahn nach Heidelberg gefahren, wo ein Sonderzug für den Transport von hunderte Jüdinnen und Juden aus Heidelberg und dem östlichen Neckarraum bereitstand. Im Sommer 1942 wurde Flora Zwang und ihre in von Ludwigshafen aus nach Gurs deportierte Tochter Selma von den Nazis mit dem Transport 18 am 12. August 1942 von Drancy aus nach Auschwitz verbracht, wo sie am 31. August 1942 zu Tode kamen. Hedwig Zwang, die vor ihrer Abholung um Einwanderungspapiere für die USA beantragt hatte, war es gelungen, 1941/42 über Kuba nach Chicago auszureisen, wo sie 1949 verstorben ist.

Jüdische Ortsgeschichte

Seit Ende des 17.Jahrhunderts liegen Hinweise auf jüdisches Leben in dem damals zum Erzbistum Mainz gehörigen Stein am Kocher vor. Die in den 1720/30er Jahren erwähnten rund zehn jüdischen Familien lebten vom Vieh- und Kleinwarenhandel. Ein Jahrhundert später erreichte die jüdische Gemeinde mit ca. 130 Seelen ihren höchsten Mitgliederstand. Die Familie Gumbel, die als Bankiers in Heilbronn tätig waren, zählte zu den bekanntesten jüdischen Familien des Ortes. Zu den Einrichtungen der jüdischen Gemeinde gehörten seit 1830 ein Frauenbad, die Synagoge in der Grabengasse und ein Friedhof. Zu Beginn der NS-Zeit lebten in Stein am Kocher nur noch zehn Einwohner jüdischen Glaubens; es gab noch eine jüdische Viehhandlung und ein jüdisches Textilwarengeschäft. 1937 wurde die jüdische Gemeinde in Stein am Kocher offiziell aufgelöst und ihre verbliebenen Mitglieder der Nachbargemeinde Billigheim zugewiesen. Zu diesem Zeitpunkt war die „Judenschule“ nicht mehr im Besitz der jüdischen Gemeinde; 1945 wurde sie durch Kriegseinwirkung zerstört.

Zeugnisse jüdischen Lebens
Friedhof

Um 1810 wurde der Friedhof der jüdischen Gemeinde Stein am Kocher an der Straße nach Kreßbach eingeweiht.

Quellen
Schlaghoff, Friedrich-Wilhelm: Die Judendeportation in Stein am K., in: Unser Land (2010), S. 199-201
Jung, Norbert: Spurensuche - die Juden von Stein am Kocher, Neuenstadt 1987
Angerbauer, Wolfram / Frank, Hans Georg: Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn, Heilbronn 1986, S. 224-228