Die Kinderärztin Johanna Geissmar war 1933 in den Hochschwarzwald gezogen, weil sie sich dort sicherer fühlte als in der Stadt Heidelberg, von wo sie kam. Als die Nationalsozialisten am 22. Oktober 1940 die von ihnen als „Jude“ oder „Jüdin“ definierten Personen abholten, traf diese rassistische Zuschreibung auf Johanna Geissmar zu - als einzige Person im gesamten Hochschwarzwald. Die 1877 in Mannheim geborene Medizinerin entstammte einer großbürgerlichen jüdischen Familie. Nach dem 1. Weltkrieg betrieb sie in Heidelberg eine Praxis für Kinderheilkunde. Wie allen jüdischen Ärztinnen und Ärzten entzog man ihr April 1933 die Kassenzulassung.
Die Internierten verehrten Johanna Geissmar als „Engel von Gurs“ (so lautete auch eine ZDF-Dokumentation über Johanna Geissmar von 2009). Ohne zu zögern, war sie einem Aufruf des Leiters des Lagerkrankenhauses gefolgt, in dem er alle medizinisch geschulten Personen aufrief, ihn bei seiner Arbeit zu unterstützen. Auch Dr. Ludwig Mann, einer ihrer Kollegen, schätze Johanna Geissmar sehr: „Wer in die Infirmerie des Ilots verlegt wurde, vergaß, dass er in Gurs war. Es war ein gutes Krankenhaus, obwohl man in einer Baracke lag, aus dünnen Brettern zusammengezimmert. Johanna Geissmar und ihre drei Helferinnen schalteten und walteten da unbefangen, hingebend und in heiterer Harmonie, als ob es kein Gurs gäbe. Niemand wollte sie auf den düsteren Weg schicken, auch die Lagerleitung nicht. Der Chefarzt des Lagers und sein Stellvertreter versuchten sogar, sie zurückzuhalten. ‚Vielleicht gelingt es mir, meine Geschwister dort zu finden', sagte sie zu mir. Sie wusste, die waren von München deportiert worden. Es ist auch gut, wenn ein Arzt mitgeht.‘ Noch in der Autohalle, von der aus die Camions [Lastwagen] zum Bahnhof fuhren, kamen der und jener zu ihr, jeder suchte sie umzustimmen. Es war nichts zu machen […]. Ruhig und entschlossen ging sie den Weg, der zu ihren Geschwistern oder in den Tod führen musste."
Seit 1. Februar 2014 trägt eine Mannheimer Schule den Namen „Johanna-Geissmar -Gymnasium“.