Lörrach Landkreis Lörrach
Die Lörracher Gedenksteine wurden von der Klasse 10d der Theodor-Heuss-Realschule Lörrach 2005 geschaffen. Begleitet wurden die Jugendlichen von dem Religionslehrer Ralf Kummer und der Kunstlehrerin Henriette Brenner-Bollö. Der Lörracher Vor-Ort-Stein steht im Hof des Kultur- und Veranstaltungszentrums Burghof.
Beschreibung der Gedenksteine
Die Lörracher Schülerinnen und Schüler meißelten in mühevoller Steinmetzarbeit ein Gesicht in Sandsteinblöcke: „Wir wollen ein Gesicht auf unseren Steinen darstellen, das in der Mitte aus einander gerissen wird. Es soll daran erinnern, wie die Juden aus einander gerissen wurden.“ Die Steine tragen die hebräische Inschrift: „Frieden über sie“.
Neben der Arbeit an den Steinen hatte die Klasse die Themen Judentum und NS-Verfolgung im Unterricht für sich aufgearbeitet, Kontakte zur Stadtverwaltung und zur jüdischen Gemeinde in Lörrach aufgenommen. Ihr Projekt präsentierten sie bei Elternsprechtagen und in einem „Tag der offenen Tür. Außerdem stellten sie eine Ausstellung zur Deportation der badischen Juden zusammen. Dabei setzten sie Hörcollagen aus Briefen der Deportierten ein.
Jüdische Ortsgeschichte
Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Lörrach reicht in das 17. Jahrhundert zurück. Ihr um 1670 gegründeter Friedhof am Fuß des Schädelberges wurde auch von den benachbarten jüdischen Gemeinden genutzt. 1891 legte sie eine neue Begräbnisstätte neben dem kommunalen Friedhof an. 1875 zählte die jüdische Gemeinde 248 Mitglieder (2,9 % der Einwohnerschaft Lörrachs), danach nahm die Zahl ihrer Mitglieder kontinuierlich ab. 1925 lebten nur noch 151 Jüdinnen und Juden in der Stadt. Ihre 1808 im Weinbrenner-Stil erbaute Synagoge stand in der Teichstraße am neuen Marktplatz. Am 10. November 1938, während des Novemberpogroms 1938, verwüstete „eine kleine Gruppe besonders zuverlässiger Anhänger der NSDAP" das Gotteshaus.
Am 22. Oktober 1940 wurden mindestens 52 Jüdinnen und Juden aus Lörrach und den umliegenden Orten in die ehemalige Handelsschule am heutigen Marktplatz gebracht, wo man ihre Personalien feststellte und sie nach Schmuck und Geld durchsuchte. Danach mussten sie auf Lastwagen steigen, die sie zum Freiburger Hauptbahnhof fuhren. Ein Zeitzeuge berichtete, dass es dabei zu Übergriffen und zu Schmährufen aus der Bevölkerung gekommen war: „Sie mussten auf die Lastwagen steigen, wurden richtig hinauf gestoßen.“ Eine 25 Aufnahmen umfassende Fotoserie der Abholung in Lörrach unterschlagen solche Szenen und versuchen den Eindruck eines korrekt ablaufenden behördlichen Vorgangs zu erwecken. Auch von der Versteigerung des Hausrats der Deportierten im November 1938 liegt eine Fotostrecke vor. Die Aufnahmen zeigen eine geradezu ausgelassene Stimmung.
Mindestens die Hälfte der deportierten Lörracher Jüdinnen und Juden kamen in südfranzösischen Internierungslagern oder in den Mordlagern Osteuropas ums Leben. Andere konnten überleben, wie die bei ihrer Abholung am 22. Oktober 1940 achtzehn Jahre alte Paula Bloch, die eine Hilfsorganisation im Dezember 1942 aus dem Lager Gurs herausholte und in einem Heim unter dem Namen „Paulette Boller“ versteckte und am 5. Dezember 1942 illegal über die Grenze in die Schweiz verbrachte. Auch der 1930 geborene Herbert Wertheim wurde von Mitarbeitern der OSE aus dem Lager Rivesaltes, wo die Familie seit März 1941 lebte, befreit. Bis zur Befreiung Frankreichs lebte er im Kinderheim „Chäteau Montintin“. Seinen Vater sollte er nicht wiedersehen. Siegfried Wertheim ist am August 1942 nach Auschwitz deportiert worden, wo man ihn vermutlich ermordete; seine Mutter Lisa Wertheimer überlebte die Zeit der Verfolgung.[1]
Die 1995 gegründete neue jüdische Gemeinde weihte ihr Gemeindezentrum (Ecke Spital-/Rainstraße) 2008 ein. Ihre Mitglieder (2015 knapp 500) wohnen zwischen Badenweiler und Waldshut.
Zeugnisse
▌ Eine „Jahrhundert-Plastik“ des Bildhauers Bernd Goering erinnert an besondere Ereignisse des 20. Jahrhunderts, darunter auch an das Novemberpogrom 1938.
▌ Eine Stele an der Ecke Teichstraße / Spitalstraße erinnert an die am 22. Oktober 1940 deportierten Lörracher Jüdinnen und Juden.
n „Stolpersteine“ in Lörrach: www.stolpersteine-in-loerrach.de
[1] Brändle s. 69.