Ladenburg
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Gedenkstein in Ladenburg

49.472436, 8.61049

Jüdische Ortsgeschichte

Ladenburg Rhein-Neckar-Kreis

Eine stufenübergreifende Schülergruppe des Ladenburger Carl-Benz-Gymnasiums hat 2012 die Ladenburger Gedenksteine gestaltet. Der Ladenburger Vor-Ort-Stein steht am Rande des Marktplatzes.

D Die Schülerinnen und Schüler erstellten die Dokumentation: „Ein Mahnmal zur Erinnerung an die Deportation der jüdischen Ladenburgerinnen und Ladenburger.“

Beschreibung des Gedenksteines

Die Ladenburger Schülerinnen und Schüler erläuterten ihre Gedenksteine auf dem Mahnmal in Neckarzimmern: „Der Riss, den Sie hier sehen können, symbolisiert die Spaltung der Ladenburger Gemeinschaft und damit auch zwischen den Ladenburger Christen und Juden. In Ladenburg bleiben zurück die Spuren jüdischen Lebens, z.B. in Form der Wohnhäuser, deren Standorte wir mit Davidsternen auf unseren Steinen gekennzeichnet haben. Auf der anderen Seite ist der Grundriss des Lagers in Gurs dargestellt. Die Spuren der jüdischen Gemeinschaft sind heute schwer zu finden; so wie man auch auf unserem Stein genau hinschauen muss, um alle Details zu erkennen. Eine Verbindung der zwei Steinehälften schafft die Torarolle, mit der wir in Ladenburg eine besondere Geschichte verbinden: Als am 10. November 1938 die Nationalsozialisten die Synagoge stürmten retteten die jüdischen Jugendlichen Esriel Hirsch und Ludwig Kempe die Torarolle und bestatteten sie auf dem Friedhof in Ladenburg, wo sie bis heute begraben liegt. Die Inschrift, die Sie hier sehen, stammt aus dem 3. Buch Mose, sie bedeutet „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“. Wir haben diesen Satz ausgewählt, weil er ein wichtiges Gebot sowohl im Judentum als auch im Christentum ist und eine Brücke schlägt zwischen beiden Religionen. Gleichzeitig lesen wir diesen Satz als Appell, um zu verhindern, dass so ein Ereignis nochmal stattfindet.“

Jüdische Ortsgeschichte

In Ladenburg existierte bereits im Mittelalter eine jüdische Gemeinde. Doch erst seit 1622 lassen sich wieder jüdische Familien in der kurpfälzischen Stadt nachweisen. 1848 erbaute sich die jüdische Gemeinde Ladenburg eine Synagoge. Ihre höchste Mitgliederzahl erreichte sie um 1864 mit 125 Personen. 1933 waren drei Manufakturwarengeschäfte im Besitz jüdischer Familien, des Weiteren eine Eisenwarenhandlung, eine Schuhmacherei und eine Maschinen- und Reparaturwerkstätte. Auch zwei jüdische Ärzte praktizierten in der Stadt. Das Verhältnis zur christlichen Bevölkerung bis zum Dritten Reich und darüber hinaus wurde von jüdischen Zeitzeugen als überaus gut beschrieben. Am 10. November, während des Novemberpogroms, demolierten einheimische und auswärtige SS-Männer die Synagoge und das jüdische Gemeindehaus. Die jüdischen Männer Ladenburgs wurden verhaftet und einige Wochen im KZ Dachau festgehalten.

Am 22. Oktober 1940 mussten alle 27 noch in Ladenburg wohnenden jüdischen Menschen auf dem Marktplatz stehende LKWs steigen, die sie zum Mannheimer Hauptbahnhof brachten, wo mehrere Sonderzüge in Richtung Südwestfrankreich abfuhren. Unter den Ladenburger Deportierten befanden sich sieben Kinder. Dass alle sieben Kinder die Zeit der Verfolgung überleben konnten, verdankten sie den verschiedenen Hilfsorganisationen, die sie mit Einverständnis ihrer Eltern aus den Lagern holten und dem Zugriff der Nationalsozialisten entzogen. Jakob (geb.) und Elias Hirsch (geb.) kamen mit einem Kindertransport in die USA; ihr 1939 geborene Bruder Joel wurde in einem französischen Säuglings- und Kleinkinderheim untergebracht. Ihre Schwester Rahel (geb. 1926) gelangte auf illegalem Weg in die Schweiz, wo sie nach Kriegsende ihre Mutter Selma Hirsch wiederfand, bei der auch Joel mittlerweile lebte. Ihr Vater Fritz Hirsch wurde im März 1943 von Gurs aus über das Sammellager Drancy von den Nationalsozialisten nach Madjanek verschleppt, wo er vermutlich ums Leben gekommen ist. Die Ladenburger Schwestern Lea (geb. 1932) und Ruth Krell (geb. 1933) überlebten in Frankreich. Ihre Eltern sind am 9. September 1942 über Drancy nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet worden. Über den 1938 geborenen Ernst Löwenfels berichtet das Ehepaar Brändle in ihrem Buch „Jüdische Kinder im Lager Gurs : Gerettete und Ihre Retter*innen“: In einem Bericht heißt es, sein Vater habe ihn im August 1942 aus dem Deportationszug geworfen, als er an einem Bahnübergang Nonnen gesehen habe. Die Nonnen versteckten Ernst in ihrem Kloster und machen nach der Befreiung Verwandte in den USA ausfindig.“

Zeugnisse

Y Eine Gedenktafel in der Hauptstraße am Standort der ehemaligen Synagoge von Ladenburg informiert über deren Geschichte.

Ո Der jüdische Friedhof ist heute Teil des allgemeinen städtischen Friedhofes von Ladenburg.

■ Ladenburger Stolpersteine: https://www.ladenburg.de/fileadmin/user_upload/Stadtarchiv/Stolperstein…

Quellen
Arbeitskreis jüdische Geschichte (Hg.): Die jüdischen Ladenburger-ein Beitrag zur Stadtgeschichte, Mannheim 1991
Zieher, Jürgen: „Die Gemeinde galt als Mustergemeinde im Musterländle“. Jüdisches Leben in Ladenburg von 1291 bis 1945, in: Probst, Hansjörg (Hg.): Ladenburg. Aus 1900 Jahren Stadtgeschichte. Ubstadt-Weiher u. a. 1998, S. 671-720
Zieher, Jürgen: „Haus der Ewigkeit" : der jüdische Friedhof in Ladenburg, in: Ladenburger Jahrbuch (2020), S. 102-135