Kirchen (Efringen-Kirchen)
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Gedenkstein in Kirchen

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Jüdische Ortsgeschichte

1736 lebten fünf jüdische Familien in dem zur Markgrafschaft Baden-Durlach gehörendem Marktort Kirchen. Sie kamen ursprünglich aus dem Dorf Dornach im heutigen Schweizer Kanton Solothurn, wo sie ausgewiesen worden waren. Die Ortsgemeinde wehrte sich gegen weitere Niederlassungen von Juden, weshalb deren Zahl bis zur Gründung des Großherzogtums Baden 1806 nahezu konstant blieb, um danach aber rasch anzusteigen. Die Synagoge der jüdischen Gemeinde war 1831 im „Weinbrennerstil“ erbaut. 1865 wurde ihr Friedhof eingeweiht. Nach der Reichsgründung 1871, als die jüdische Gemeinde knapp 200 Personen umfasste (15 % der Einwohnerschaft), setzte eine Abwanderung nach Basel oder in ihnen bis dahin versperrten Städte Südbadens ein. Die jüdischen Familien Kirchens lebten in der Mehrzahl vom ambulanten Viehhandel; später gab es auch einen jüdischen Metzger, ein koscheres Gasthaus sowie einen jüdischen Arzt im Dorf. Die jüdische Bevölkerung Kirchens beteiligte sich am örtlichen Vereinsleben, Juden waren aktiv im Leseverein, im Fußballverein und im Musikverein. Ein nach Emmendingen gezogener jüdischer Zigarrenfabrikant spendete seiner Heimatgemeinde einen Leichenwagen und unterstütze den Bau der Kirchener Festhalle mittels einer Spende. Mehrmals empfing er in Emmendingen Kirchener Vereine und bewirtete sie festlich.

Während des Novemberpogroms 1938 zerstörten auswärtige SA und SS-Männer, angeführt vom Bürgermeister des benachbarten Haltingens, die Kirchener Synagoge. Die acht zu diesem Zeitpunkt noch in Kirchen wohnenden jüdischen Männer wurden auf Lastwagen verladen und ins KZ Dachau verbracht. Erst nach Wochen durften sie wieder nach Kirchen zurückkommen. Am 3. September 1939, am Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde die gesamte Zivilbevölkerung an der deutsch-französischen Grenze evakuiert, darunter auch die Einwohner Kirchens. Doch während die „arischen“ Kirchener nach drei Monaten wieder zurückkehren durften, wurde dies den jüdischen Kirchner vom Bürgermeister verwehrt. Mit seinem brutalen Vorgehen war es ihm gelungen, seine Gemeinde als eine der ersten in Baden für „judenfrei“ zu erklären.

Zeugnisse jüdischen Lebens
Synagoge

Bei den Mauerresten der 1945 abgebrochenen Synagoge (bei der Baslerstraße 57) erinnert ein Gedenkstein an ihre Zerstörung am 10. November 1938.

Friedhof

Am Eingang zum jüdischen Friedhof im Kehlacker nennt eine Tafel die Namen der jüdischen NS-Opfer Kirchens. Eine weitere Tafel an der Außenmauer zitiert 2. Mose 3,2: „Der Busch brannte im Feuer und wurde doch nicht verzehrt“.

Stolpersteine
Quellen
Alborino, Verena: Juden auf dem Land: Das Dorf Kirchen, in: Das Markgräflerland 1 (1996), 1 S. 127-137
Huettner, Axel: Die jüdische Gemeinde von Kirchen 1736-1940, Grenzach/Heidelberg 1993³