Friesenheim
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Deportation

In Friesenheim lebten am 22. Oktober 1940 noch elf jüdische Bürgerinnen und Bürger. Neun von ihnen wurden von den Nationalsozialisten nach Frankreich verschleppt. Laut einem von der Gemeindeverwaltung 1967 ausgefüllten Fragebogens, „soll ihnen mündlich eröffnet worden sein, dass sie sich innerhalb zwei Stunden mit Reisegepäck im Rathaus einfinden sollten, von wo sie mit LKW‚s abgeholt wurden“. Unter den zur Abholung Bestimmten befanden sich die schwangere Flora Greilsheimer mit ihrem Mann Ludwig und ihre fünfjährige Tochter Lieselotte. Mitarbeiter der OSE befreiten Liselotte und ihre am 5. April 1940 geborene Schwester Germaine aus dem Lager und brachten sie im Kinderheim Chateau Mâsgelier unter und später in einem Kloster. Während die Schwestern und ihre Mutter die Zeit der Verfolgung überleben konnten, wurde der Vater am 4. März 1943 vom Sammellager Drancy aus in das Todeslager Auschwitz verschleppt und dort ermordet.

Jüdische Ortsgeschichte

Vorübergehend wohnten im 15. und 16. Jahrhundert jüdische Händler in dem baden-badischen Marktort, ein kontinuierliches jüdisches Gemeindeleben entwickelte sich in Friesenheim aber erst Ende des 18. Jahrhunderts. Im Jahr 1820 erbaute sich die jüdische Gemeinde eine Synagoge im Bereich der früheren „Judengasse“. 1875 wohnten 120 Jüdinnen und Juden im Dorf (5,5% der Ortsbevölkerung), 1925 waren es nur noch 48. Ihre Toten brachte die jüdische Gemeinde Friesenheim auf den 20 km südlich gelegenen Verbandfriedhof von Schmieheim.

Am 10. November 1938 wurden die jüdischen Männer Friesenheims in das Konzentrationslager Dachau in „Schutzhaft“ verbracht. Erst nach Wochen durften sie wieder zurückkehre. Ebenfalls am 10. November 1938 waren Frieseneimer Nationalsozialisten in die Synagoge eingedrungen. Sie zertrümmerten das Inventar und die Fenster des Gebäudes und verbrannten die Kultgegenstände im Hof vor der Synagoge. Wegen der benachbarten Häuser und Scheunen nahmen sie Abstand von einer Inbrandtsetzung des Gebäudes.

Wegen einer schweren Krankheit war Josef Greilsheimer, der ehemalige Vorsteher der Friesenheimer Synagogengemeinde, von der Abholung am 22. Oktober 1940 ausgenommen, auch seine Frau Miriam blieb - zu seiner Pflege - in Friesenheim zurück. Als das Ehepaar im April 1942 in den Osten deportiert werden sollte, erhängte sich Julius Greilsheimer im Stall seines Hauses. Seine Frau Miriam musste sich der Deportation im April 1942 anschließen und wurde im Todeslager Izbica (Polen) ermordet.

Von den 1933 in Friesenheim wohnhaften 33 jüdischen Personen kamen mindestens elf in der Zeit der Verfolgung durch die Nationalsozialisten ums Leben.

Zeugnisse jüdischen Lebens
Synagoge

Seit Mai 1995 trägt das kurze Wegstück, das von der Lahrgasse zum Standort der früheren Friesenheimer Synagoge führt, den Namen „Synagogengasse“. Eine Tafel erinnert an die frühere jüdische Gemeinde Friesenheims.

Stolpersteine

In den Straßen Friesenheim erinnern Stolpersteine an Opfer des Nationalsozialismus.

Quellen
Beck-Braach, Heidi: 98 Briefe ins englische Exil : die gewaltsame Trennung der jüdischen Familie Levi aus Friesenheim; zum Gedenken an die Deportation Alfred und Brunhilde Levis nach Gurs, Rivesaltes und Auschwitz, Konstanz 2010
Klem, Ekkehard (Hg.): Jüdisches Friesenheim : Erinnerungsplätze und Spuren ; ein Geschichtsprojekt der Haupt- und Realschule Friesenheim, Schuljahr 2009/2010 und des Hist. V. Mittelbaden, Haigerloch2009
Stude, Jürgen: Die jüdische Gemeinde Friesenheim, Friesenheim 1988