Flehingen (Oberderdingen-Flehingen)
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Gedenkstein in Flehingen

49.06385, 8.805568

Deportation

Am Morgen des 22. Oktobers 1940 mussten die neun noch in Flehingen wohnenden Jüdinnen und Juden auf Lastwagen steigen, die sie vermutlich zum Karlsruher Hauptbahnhof brachten, von wo Züge nach Südwestfrankreich abgingen. Da manche der Deportierten der Eile vergessen hatten, die wichtigsten Dinge einzupacken, schickte der Flehinger Bürgermeister Schulkinder in ihre Häuser, um sie. ihnen zu holen. Von den neun Flehinger Deportierten überlebte nur Ida Heidelberger überlebte die Zeit der Verfolgung. Ihr Mann Elias Heidelberger ist nur wenige Wochen nach der Ankunft im Lager verstorben. Sieben Deportierte kamen dem Sommer 1942 von Gurs über das Sammellager Drancy bei Paris nach Auschwitz verbracht wo man sie gleich der Ankunft ermordete.

Jüdische Ortsgeschichte

1548 wurde zum ersten Mal in Flehingen Juden aktenkundig, danach erst wieder im Jahr 1650, als die Grafen von Metternich katholische und jüdische Neusiedler zum Aufbau ihres kriegsversehrten Dorfes holten. Die meisten jüdischen Familien wohnten im Hinterdorf („Judengasse"). Das Zusammenleben der evangelischen Majorität mit der jüdischen Bevölkerung gestaltete sich nicht immer spannungsfrei, insbesondere in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als der rechtliche Status der jüdischen Bevölkerung in den beiden badischen Kammern verhandelt wurde. Nach der Gleichstellung der badischen Juden im Jahr 1862 legte sich die antijüdische Stimmung - eine Integration der jüdischen Einwohner in das Dorfleben begann sich langsam anzubahnen. Jüdische Bürger saßen nun auch im Gemeinderat und engagierten sich in den örtlichen Vereinen. 1875 machten die 138 in Flehingen lebenden Jüdinnen und Juden etwa 12,4 % der Ortsbevölkerung aus.

Die jüdischen Viehhandlungen und Ladengeschäfte die 1933 noch in Flehingen existierten, wurden am 1. April 1933 boykottiert und später zunehmend wirtschaftlich isoliert. Bereits vor der „Machtergreifung" hatte der in Flehingen ansässige katholische Pfarrer Wilhelm Maria Senn mit nationalsozialistischen Predigten gegen sie gehetzt. Beim Novemberpogrom 1938 brannten vermutlich aus Karlsruhe kommende SA- oder SS-Männer die Synagoge nieder. Der Flehinger Bürgermeister notierte am 29. November 1938: „Synagoge von unbekannter Hand angezündet. Schaden von 15.000 Reichsmark“.

Mindestens 17 jüdische Menschen aus Flehingen kamen in der Verfolgungszeit 1933 bis 1945 ums Leben.

Zeugnisse jüdischen Lebens
Synagoge

Eine Gedenktafel in der Gochsheimer Straße erinnert an die 1873 erbaute und 1938 zerstörte Flehinger Synagoge.

Friedhof

An der (alten) Gochsheimer Straße liegt der 1688 angelegte jüdische Friedhof mit rund 300 noch erhaltenen Grabsteinen.

Stolpersteine

Stolpersteine in Flehingen: http://www.lfr.de (Homepage der Leopold-Feigenbutz-Realschule-Oberderdingen)

Quellen
Schönfeld, Wolfgang: Schicksale jüdischer Familien in Flehingen, Eppingen 2015
Schönfeld, Wolfgang: Geschichte der jüdischen Familie Schlessinger aus Flehingen. Eppingen 2017
Schönfeld, Wolfgang: Jüdische Familien aus Flehingen : Lebenswege und Schicksale, Eppingen 2022
Fetzer, Ralf-P.: Flehinger Bauern, Junker, Pfaffen und Juden : die Herren von Flehingen und ihre Untertanen zwischen Spätmittelalter, Bauernkrieg und Reformation, Edingen-Neckarhausen 2022