Diersburg (Hohberg)
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Gedenkstein in Diersburg

48.398901, 7.938656

Deportation

Elf der dreizehn am 22. Oktober 1940 in Diersburger lebenden Jüdinnen und Juden wurden mit Kleinlastwagen abgeholt, bei ihrer Festnahme soll es zu Übergriffen gekommen sein. Zurückblieben die gebrechliche Rebekka Moch und ihre Tochter Frieda zu deren Pflege. Auch Sophie Bruchsaler stand krankheitsbedingt nicht auf der Deportationsliste. Da sie nicht ohne ihre Töchter Fanny und Thekla zurückbleiben wollte, entschied sie sich auf den Lastwagen zu steigen. Der Hausrat der Deportierten wurde im Rathaus versteigert, was laut einer Mitteilung der Gemeindeverwaltung von 1967 auf Kritik gestoßen sei: „Doch habe man gute Preise angeboten“, weil man meinte die Juden dürften über den Erlös verfügen. Keiner der elf Diersburger Deportierten überlebte die Zeit der Verfolgung. Vier verstarben im Lager, die anderen wurden im Sommer 1942 von den Nationalsozialisten von Gurs aus über das Sammellager Drancy bei Paris nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet.

Jüdische Ortsgeschichte

1738 wurde zum ersten Mal ein jüdischer Schutzbürger in der reichsritterschaftlichen Talgemeinde Diersburg erwähnt. 1773 gründete die jüdische Gemeinde einen eigenen Friedhof. Ende des 18. Jahrhunderts erbauten sich die wohlhabenderen Mitglieder der jüdischen Gemeinde - die Vieh- und Pferdehändler - die sogenannte „Judenstadt“ im Gewann „Strittmatt“. In diesem Viertel standen auch die um 1800 erbaute Synagoge und eine jüdische Schule. Ihre höchste Zahl erreichte die jüdische Gemeinde um 1832 mit 306 Mitgliedern (ca. 30 % der Einwohnerschaft). 1933 gab es in Diersburg an jüdischen Unternehmen zwei Viehhandlungen, zwei Handlungen für Stoffe und Aussteuer, einen Krämerladen, eine Lebensmittel- und Medikamentenhandlung sowie das koschere Gasthaus „Badischer Hof“. Während des Novemberpogroms 1938 zerstörten aus Offenburg kommende Angehörige der SS- und der SA die Inneneinrichtung der Synagoge.

In der NS-Zeit sind von den 29 im Jahr 1933 in Diersburg gemeldeten jüdischen Personen mindestens 12 ums Leben gekommen.

Zeugnisse jüdischen Lebens
Gedenksteine

Eine Tafel erinnert gegenüber dem ehemaligen Diersburger Rathaus an die 200jährige jüdische Geschichte Diersburgs (neben dem Vor-Ort-Stein).

Friedhof

Auf dem jüdischen Friedhof in der Diersburger Bachstraße stehen 210 Grabsteine

Andere Zeugnisse

In der „Judenstadt“ (Strittmatt) im Hinterdorf zeugen hebräische Inschriften von den früheren Bewohnern und ihren religiösen Einrichtungen. Ein historischer Inschriftenstein in der Bachmauer (Talstraße 30) stammt aus dem oberhalb gelegenen rituellen Bad der früheren jüdischen Gemeinde.

Quellen
Rottenecker, Bernd: Diersburg, in: Jüdisches Leben in der Ortenau 2018, S. 86-91
Ruch, Martin: Vom Leben der Juden auf dem Lande: ein Rundgang mit Arnold Lederer durch Diersburg, in: Die Ortenau 87 (2007), S. 447-462
Historischer Verein Hohberg (Hg.): Diersburg: die Geschichte einer jüdischen Landgemeinde; 1738-1940, Haigerloch 2000
Fischer, Hubertus: Diersburg bei Offenburg - erste Hachschara in Baden? : jüdische landwirtschaftliche und gärtnerische Ausbildungsstätten im Land Baden zwischen 1919 und 1939, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 169 (2021), S. 497-518