Bodersweier (Kehl)
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Gedenkstein in Bodersweier

48.600915, 7.874502

Deportation

Eine Bodersweierer Augenzeugin war zugegen, als die am 22. Oktober 1940 noch in Bodersweier lebenden 16 Jüdinnen und Juden abgeholt wurden: „Frau Meier kam im schwarzen Pelzmantel aus dem Haus, alle weinten. Wir entfernten uns. Mit den Leuten hatte man sich vorher immer unterhalten, es tat einem leid. Man war geschlagen, ratlos und fragte sich: Die dauern mich, was wird mit ihnen geschehen, was werden die mit ihnen tun?“ Fanny Bensinger erlag im Dezember 1940 den Strapazen der Lagerhaft, sie ruht auf dem Lagerfriedhof von Gurs. Dort ist auch Auguste Maier begraben. Lina Merklinger war am 1. September 1942 im Dorf Lagos in den Pyrenäen verstorben; die Schicksale von Ida Merklinger und Emanuel Merkinger sind nicht geklärt. Martha Bodenheimer wurde mit sechs weiteren Deportierten aus Bodersweier im Sommer 1942 von Gurs nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet. Ihren 1932 geborenen Sohn Günther Jakob Bodenheimer hatte sie der OSE in Obhut gegeben. 1942 wurde mit einem von den Quäkern organsierten Kindertransport in die USA gebracht.

Jüdische Ortsgeschichte

Die jüdische Gemeinde des zu Hessen-Darmstadt gehörenden Dorfes Bodersweier formierte sich im 18. Jahrhundert. Ihre höchste Mitgliederzahl erreichte sie um 1875 mit 116 Personen (10,3 % der Einwohnerschaft). 1933 existierten in Bodersweier mehrere jüdische Betriebe: ein Eisenwarengeschäft, zwei Gemischtwarenhandlungen, ein kleines Schuhgeschäft und drei Viehhandlungen.

Während des Novemberpogroms 1938 zerstörten österreichische SS-Männer die Inneneinrichtung der 1812 erbauten Synagoge (Querbacher Straße). Als im September 1939 Bodersweier mit Beginn des Zweiten Weltkrieges evakuiert wurde, mussten auch die jüdischen Familien ihre Häuser räumen. Während die „arischen“ Einwohner bald wieder in ihr Dorf zurückkehren durften, verwehrte man dies den jüdischen Familien. Als diese Mitte Oktober 1940 die Genehmigung erhielten endlich ihre Wohnungen wieder beziehen zu können, mussten manche von ihnen feststellen, dass ihre Anwesen bereits an Dritte vergeben waren. Daraufhin wies das Bürgermeisteramt zwei jüdische Familien in Ersatzwohnungen ein, andere mussten bei Verwandten unterkommen.

Bodersweierer Volksschüler führten ein „Familien und Heimatbüchlein“, in dem sie gewissenhaft wichtige Ereignisse im Dorfgeschehen festhielten, darunter auch zum Schicksal der Bodersweierer Jüdinnen und Juden: „Nov, 38 Hausdurchsuchung bei den Juden, Männer in ein Konzentrationslager bei Dachau. Rückkehr im März 39. Bei Kriegsausbruch alle Juden fort. Aufenthaltsverbot für Juden im Operationsgebiet. Rückkehr im August, endgültige Abschiebung aller Juden im Oktober 1940. Vorläufiger Aufenthalt Pyrenäen. Versteigerung des Hausrates März 1941.“

Zeugnisse jüdischen Lebens
Gedenksteine

Eine Stele auf dem kommunalen Friedhof Bodersweier erinnert an das Schicksal der jüdischen Einwohner Bodersweiers.

Quellen
Stude, Jürgen: Kehl, in: Jüdisches Leben in der Ortenau, Bühl 2018, S. 81-85
Kaufmann, Denise / Kaufmann, Jules / Britz, Karl: Glück, ganz besonderes Glück: der Überlebenskampf eines badisch-elsässischen Ehepaars jüdischen Glaubens im besetzten Frankreich / Denise und Jules Kaufmann, Haigerloch 2008
Hans Nussbaum / Karl Britz: Das Schicksal der Juden von Bodersweier, 1986
Gerhard Brändle, Dokumentation der zwischen 1919 und 1945 geborenen bzw. ansässigen jüdischen Bürgerinnen und Bürger und deren Schicksal, online abrufbar unter: pforzheim.de/kultur-bildung/geschichte/juedische-buerger